Die Zukunft des Journalismus im Netz

Die Geschichte der Zeitung ließt sich wie eine klassisch griechische Tragödie. Sophokles und Euripides waren es, die ihre Figuren in augenscheinlich unlösbare Situationen manövrierten, um den Charakter der Protagonisten zu entlarven und ihr Verhalten in der folgenden Prüfungssituation zu beobachten. Die Werke der griechischen Antike endeten für gewöhnlich immer auf dieselbe Art und Weise: die Figur macht sich schuldig und es bleibt ihr keine Möglichkeit ihr Verhalten daraufhin zu ändern, als das sie vor der eigenen Versündigung bewahrt würde.

Auch die Geschichte der Zeitung begann malerisch und viel versprechend. Nachdem die Erfindung des Buchdruckes durch Gutenberg, Mitte des 15. Jahrhunderts, den Weg für die Entstehung der Zeitung ebnete, entwickelte sie sich zur Informationsquelle Nummer eins. Auf die Blütezeit der Zeitschriften im 18. Jahrhundert folgte die „Massenpresse“ im 19. Jahrhundert. Die Industrialisierung und gesellschaftliche Liberalisierung taten ihr übriges. Durch die zunehmende Anzahl an Menschen, die des Lesens mächtig waren, stieg nun auch das Interesse an Politik und Gesellschaft und somit der Konsum von Zeitungen und Zeitschriften.

Dem gebildeten Bürger war bewusst, dass er Informationen über das eigene Land und das Weltgeschehen aus der Tageszeitung entnehmen konnte. Das wiederum ebnete den Weg für die Abonnementzeitung, denn wer konnte es sich schon leisten eine Ausgabe und die darin enthaltenen Informationen zu verpassen? Die gedruckte Presse feierte ihr Gelingen und hatte keinen Grund an ein Ende ihres Erfolges zu denken. Doch mit der Erfindung des World wide Webs sollte sich rasch ein Abbruch der Verkaufszahlen im Printbereich bemerkbar machen.

Und da wären wir wieder im klassischen Verlauf der griechischen Tragödie: der Protagonist Zeitung sieht sich mit seiner Prüfungssituation konfrontiert. Der Gegenspieler, hier der Onlinejournalismus, macht der gedruckten Zeitung das Leben mehr als schwer – nur wie wird sie darauf reagieren?

Die ersten Warnschüsse waren bereits erklungen. Frankreichs „Le Monde“ machte mit umfassenden Sparmaßnahmen von sich hören, Entlassungen bei der „New York Times“ folgten und ein gewaltiger Gewinneinbruch bei der „USA Today“ waren die unheilvollen Vorboten der folgenden Tragödie. Mit der Finanzkrise, der sich die globale Wirtschaft im 21. Jahrhundert ausgesetzt fühlt, sollten der eine oder andere Verleger dann auch schon an den endgültigen Untergang der Zeitung geglaubt haben.

Die Vorteile des Onlinejournalismus liegen auf der Hand. In erster Linie schlagen Onlinenachrichten die Print-Berichterstattung in ihrer Schnelligkeit um Längen. Zudem sind sie, zumindest in den meisten Fällen, kostenlos abrufbar und sie erzeugen keinen unnötigen Papiermüll.

Doch Zeitungen und Zeitschriften wissen auch zu überzeugen. Die Verlässlichkeit ihrer Recherchen ist unumstritten um Längen besser, als die in der Hast erstellten Onlinebeiträge zum selben Thema. Außerdem liefern Printmedien meist noch eine Vielzahl an Hintergrundinformationen, aufbereitet in den verschiedensten Darstellungsformen. Einer Reportage über Afghanistan folgt ein kritischer Kommentar, ein investigativer Bericht und zum krönenden Abschluss noch eine wirtschaftliche Erörterung der Lage und ihrer Folgen für die Geschäftswelt.

Das Vertrauen in die Recherchen, die hinter Printangeboten stecken, ist zudem um einiges Höher, als der Glaube in die Zuverlässigkeit der Online-Berichterstattung.

Journalismus im Internet ist nichts anderes als eine Dauerkonversation aller Beteiligten untereinander. Das gedruckte Medium offeriert Geschichten, die aus einem vielschichtigen Diskurs- und Produktionsprozess hervorgehen.“ (Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St.Gallen; Januar 2009)

Mit ihrer Meinung zum Onlinejournalismus steht Miriam Meckel keineswegs allein da. Viele Leser teilen ihre Bedenken über die Professionalität des Journalismus im Netz. Noch heute vermittelt das geschriebene Wort eine größere Zuverlässigkeit, als es vergleichbare Berichte im Internet tun.

Die Kommentarfunktion, über die der Großteil der Berichterstattung im Netz verfügt, gibt ihr zwar die Möglichkeit bewertet zu werden, veranlasst so manchen User jedoch auch zu unpassenden Äußerung, die gleichzeitig die Seriosität des Kommentierten mindern.

Natürlich ist es dem Leser ebenso möglich Printartikel zu kommentieren. Diese durchlaufen jedoch zuerst eine Redaktion aus Journalisten, die eine Entscheidung darüber treffen, welcher Leserbrief es wert ist den Lesern präsentiert zu werden.

Der Onlinejournalismus steht am Ende immer auch dem Problem gegenüber, einer unüberschaubaren Leserschaft ausgesetzt zu sein, die nicht ausschließlich nur darauf aus ist, besonders gut durchdachte Kommentare zu posten. Diesem Manko hat es der Journalismus im Netz zu verdanken, von dem einen oder anderen Konsumenten nicht das größte Vertrauen entgegengebracht zu bekommen.

Zudem stellt der größte Vorteil der Onlineberichterstattung, ihre Schnelligkeit, ebenso ihre größte Schwäche dar, wie Tobias Trevisan, seineszeichens Geschäftsführer der FAZ bestätigt:

Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, immer schneller immer mehr aktuelle Nachrichten zu produzieren, vor allem dann nicht, wenn die relevanten Themen ausgehen.“

Der Druck, dem sich der Journalismus im Netz selbst aussetzt, durch möglichst rasche Berichterstattung hervorstechen, geht oftmals auf Kosten der Seriosität. Ein Leser, der drei Mal hintereinander mit schlicht unrelevanten Schlagzeilen im Netz konfrontiert wurde, überlegt sich beim vierten Mal vielleicht doch eher auf die gute alte Tageszeitung zurückzugreifen. Natürlich ist auch das Printmedium Zeitung nicht davor gefeit, den einen oder anderen weniger interessanten Artikel zu drucken, doch der Ansporn durch die zunehmenden finanziellen Verluste im Printbereich, ist groß, relevante Themen zu bearbeiten.

Womöglich ist genau dieser Umstand ausschlaggebend für die Rettung der Zeitung. Sie ist schuldig und es bleibt ihr keine Möglichkeit ihr Verhalten daraufhin zu ändern, als das sie vor der eigenen Versündigung bewahrt würde. Was sie jedoch tun kann, ist sich den Umständen anzupassen und die eigenen Stärken aus zuspielen. Das Urvertrauen der Leser in die Seriosität ist des Printjournalismus ist der Trumpf den es nun zu nutzen gilt. Die Zeitung wird also keineswegs aussterben, sie wird sich, wie jeder klassische Protagonist der griechischen Tragödie, den veränderten Rahmenbedingungen anpassen und einen Weg aus der zunächst ausweglosen Situation finden.

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